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Ende 2027 fließt Wasserstoff statt Erdgas
Ein Bericht aus den Grafschafter Nachrichten vom 30.08.2025
Spatenstich für den Leitungsumbau in Hoogstede / Grafschafter Unternehmen können sich ans Netz anschließen lassen
Noch ist nicht viel zu sehen auf dem Baufeld nahe des Erdgasspeichers in Hoogstede-Kalle:
Schweres Gerät steht bereit, um Erde zu bewegen und Gelände freizuschieben. Ein paar Markierungen zeigen an, wo bald technische Aufbauten entstehen – und wo die Erdgasleitung in rund 1,20 Metern Tiefe liegt, die am Mittwochvormittag im Zentrum der Aufmerksamkeit steht. Denn: An diesem Ort startet die Umrüstung der rund 53 Kilometer langen bestehenden Gasleitung zwischen dem niederländischen Vlieghuis und dem münsterländischen Ochtrup – hin zu einer grenzüberschreitenden Wasserstoff-Leitung, die einmal längs von Emlichheim über Kalle, Neuenhaus und Isterberg durch die Grafschaft verläuft. Zum Spatenstich trafen sich vor Ort die Vertreter des Fernleitungsnetzbetreibers Thyssengas, der Baufirmen sowie aus Wirtschaft und Politik.
Lange Vorbereitungen waren nötig, bevor die Umstellung in Angriff genommen werden konnte: Im Oktober 2024 hatte die Bundesnetzagentur das Wasserstoff-Kernnetz genehmigt und damit offiziell den Startschuss für den Aufbau einer deutschlandweiten H2-Infrastruktur gegeben. Ausgehend vom Erdgasspeicher in Kalle wurden die beiden Leitungen, die dafür verbunden und umgerüstet werden, bereits im Mai 2024 intensiv per sogenannter „Molchung“ untersucht: Ein Messgerät, ein „Molch“, wurde durch die Pipelines geschickt und stellte fest, dass sie keine Schadstellen aufweisen und umgerüstet werden können. Konkret geht es um die rund 40 Zentimeter durchmessende Leitung „L00551“ (Vlieghuis-Kalle) und die rund 60 Zentimeter dicke Leitung „L07504“ (Kalle-Ochtrup), durch die dann zum Jahresende 2027 statt Erdgas Wasserstoff fließen soll.
Weil diese Leitungen in regelmäßigem Abstand per „Molch“ überprüft werden müssen, werden in Kalle zwei oberirdische „Molchschleusen“ errichtet – zwei wegen der oben erwähnten unterschiedlichen Leitungsdicken. Eine davon wurde zur Überprüfung der Leitung bereits am Speicher in Kalle gebaut und wird am neuen Standort wiederverwendet. Neue Armaturen zur Steuerung und Überprüfung des Leitungsdurchflusses werden von einem Grafschafter Bauunternehmen im Werk vorgefertigt und dann vor Ort eingebaut.
Frank Rathlev, Bereichsleiter Betrieb, und Dennis Quardt, Projektleiter H2-Leitung Vlieghuis-Ochtrup – beide vom Unternehmen Thyssengas – erläuterten den Gästen vor Ort noch weitere technische Details der Umstellung. So werden die neuen Aufbauten umzäunt, die Leitungen durchgängig überwacht und der Eingriff in die Natur möglichst geringgehalten – von Vorteil sei dabei, dass die Leitungen zum größten Teil bereits in der Erde liegen und nicht durchgängig erneut angefasst oder neu gelegt werden müssen. „Die deutschlandweite Transportinfrastruktur für Wasserstoff kommt und als Fernleitungsnetzbetreiber tragen wir bei Thyssengas eine zentrale Verantwortung, diese mitaufzubauen“, unterstreicht Dr. Thomas Becker, kaufmännischer Geschäftsführer Thyssengas.
Dem Import über niederländische Häfen komme dabei eine zentrale Bedeutung zu. „Wir bringen den Wasserstoff perspektivisch dorthin, wo er gebraucht wird – zur Industrie, zu Kraftwerken und zu den Verteilnetzbetreibern. Und das nicht nur für Kunden direkt am Kernnetz, sondern auch in den sich daran anschließenden Regionen.“ Grafschafter Unternehmen werden sich künftig an die Leitung anschließen und mit Wasserstoff versorgen lassen können. Mehrere T-Stücke sind dafür vorgesehen, die 2026 eingebaut werden sollen. In einem Grußwort betonte der Grafschafter Bundestagsabgeordnete Albert Stegemann: „Mich freut es sehr, dass bei uns in Hoogstede nicht nur über die fernen Ziele der Energiewende geredet, sondern sie praktisch umgesetzt wird. Mit dem Anschluss an das Wasserstoff-Kernnetz eröffnen sich für unsere gesamte Region große Chancen: Wir haben eine optimale geografische Lage, die Infrastruktur vor Ort und Unternehmen, die davon profitieren können.“ Er betonte aber auch: „Wie marktgängig ist Wasserstoff am Ende? Die Frage kann bislang niemand vernünftig beantworten, aber ich bin sicher, er wird seinen Weg finden.“
Sascha Vennemann